01. Mai 2019
UNAUFGEFORDERTE WERBUNG
Vergeblich versucht man in vielen Städten Deutschlands ein Café zu finden, dass Nostalgie und Charme zugleich versprüht. Egal, wo man sucht, man findet es nicht: das eine, schöne, alte Caféhaus von damals. Modern, schnörkellos, unprätentiös und, für meinen Geschmack, stillos sind sie heute zunehmend alle. Hauptsache der Kuchen ist gut, der Kaffee schmeckt.
Aber ob man nun gemütlich dabei Zeit zubringt, Fehlanzeige. Warum sonst, tummeln sich vielerorts die Menschen in modernen Cafés mit spartanischer Einrichtung, unbequemer Bestuhlung, auf viel zu engem Raum, bei viel zu lauter Akkustik? In manchen Städten ist es auch so gar nicht hip, wenn ein Caféhaus im Stil der 20iger Jahre eröffnet wird. Da kann der Kaffee und der Kuchen noch so gut sein.
Altmodisch ist einfach out. Und dann verwundert es fast auch niemanden, dass genau so ein Café auch relativ schnell wieder zu macht. Schade eigentlich. Sehr schade. Vermutet man vielleicht zu viele ältere Menschen in einem eher abgespeckten Café mit plüschig barocker Einrichtung und etwas in die Jahre gekommenen Interieur? Gerade das kann doch sehr charmant sein.
Aber zum Glück gibt es Städte, wie Berlin, die in diesem Fall noch eine Ausnahme bilden. Geschichtsträchtig und kulturell divers ist Berlin eine offene, sehr bunt gemischte Stadt. In Berlin gibt es alles, modern, hip, alternativ, historisch und eben auch noch Caféhäuser, wie die Grand Bar auf der Oranienburgerstraße.
Schon die Einrichtung der Grand Bar versetzt einen sofort zurück in eine Zeit, die man selber gerne miterlebt hätte. Die wilden, hemmungslosen 20iger Jahre, das ausgehfreudige Berlin. Alles das kann man sich gut vorstellen, wenn man sich in dieser Bar, die ein Historikum ist, zum Verweilen und Genießen beim einem Kaffee, aufhält. Die komplette Ausstattung ist noch erhalten und manche Sitzecken, die so herrlich bequem gepolstert sind, weisen bereits einige Gebrauchsspuren auf.
Kein Wunder, die Zeichen der Zeit machen sich nicht nur beim Menschen bemerkbar. Ein Highlight und das Herz der Grand Bar ist die Bar selbst. Komplett aus Holz gezimmert, ist sie unverändert geblieben, so wie anno dazumal. Einziger moderner Lichtblick sind die Leuchten, die vor der Bar von den hohen Decken herunterbaumeln. Aber das tut dem Gesamtbild überhaupt keinen Abbruch, denn sie fügen sich ganz dezent in das opulente Bild der hölzernen Bar ein. Auch die Mischung aus alt und modern kann es sein. Und es kann sehr gut sein, wie man anhand dieses Beispiels sieht.
Auf der Speisekarte gibt es moderne Küche, guten Kaffee und Kuchen, wie es sich für so ein altehrwürdiges Haus gehört und abends wird die Bar auch zu einer Bar umfunktioniert. Dann gibt es ausgewählte Cocktails, eine Happy Hour und ganz viele junge hippe Gäste. Ich hab es immer gewusst, Altes und Neues ergänzen sich prima. Und was wäre Berlin ansonsten ohne diese Gegensätze?