14. DEZEMBER 2019
UNAUFGEFORDERTE WERBUNG
©Nicole Hacke / Wankgebiet mit Blick auf Garmisch-Partenkirchen
Der November ist so ein Monat, der zwischen den Jahreszeiten geparkt, nicht mehr ganz Herbst und noch lange kein Winter ist. Am liebsten möchte man sich den November komplett ersparen, ihn geflissentlich übergehen und direkt von der strahlend warmen und farbenfrohen Blätterwelt des Herbstes in die magisch weiße Glitzerwelt des kalten, frostigen Winters eintauchen. Anstatt aber die ruhige, beschauliche und unaufgeregte Zeit des Novembers einfach nur zu genießen und sie so anzunehmen, wie sie ist, versuchen wir meistens, diesen Monat rigoros aus unserem Kalender zu streichen und ihn in Gedanken bereits zu überspringen.
Als ich mich von Hamburg mit dem Zug auf den Weg ins bayerische Oberland mache, weiß ich selbst noch gar nicht, was ich von meiner Aktion, ein paar Tage in den Bergen zu verbringen, halten soll. Wahrscheinlich wird dort überhaupt noch kein Schnee liegen, vielerorts werden die gastronomischen Angebote auf Sparflamme laufen und die Hotels und Unterkünfte werden ebenfalls größtenteils Betriebsferien machen. Keiner wird so richtig auf den Tourismus eingestellt sein, auch nicht in kultureller Hinsicht.
Was also soll ich dem trostlosen, grauen, unscheinbaren und unaufgeregten November in den Alpen abgewinnen können? Den hätte ich auch gut in Hamburg überstanden.
Kurz bevor der Zug in meinem Zielbahnhof in Garmisch-Partenkirchen einläuft, lösen sich all meine Zweifel, wie von selbst, in Luft auf. Der Anblick, der sich mir auf das Gebirgsmassiv des Zugspitzareals offenbart, kommt einem Bild für die Götter gleich. Die Dämmerung hat eingesetzt und der Himmel erstrahlt in einem Farbenmeer, das von rötlichen, königsblauen und silbergrauen Wolkenschleiern durchzogen ist.
©Nicole Hacke / Untergrainau Ortskern
Und mitten aus dieser magischen Farbkomposition ragen majestätisch die Waxensteine hervor. Wie angewurzelt bestaune ich dieses Naturschauspiel und bin heilfroh, dass ich die Reise in das wunderschöne Werdenfelserland angetreten habe.
Die kurze Anschlussfahrt mit der tuckeligen bayerischen Zugspitzbahn, die das weite Tal zwischen der Stadt Garmisch und den Ortschaften Hammersbach und Grainau verbindet, gleicht einem
Bilderbucherlebnis durch eine der schönsten und extrem charakteristischen Landschaften, die der Freistaat Bayern zu bieten hat. Wenn die Welt auch sonst nirgendwo mehr in Ordnung ist, so hat man
hier das Gefühl, als ob die Zeit ewig stehen geblieben wäre, so paradiesisch und unverfälscht präsentiert sich dieses Kleinod.
©Nicole Hacke / Kriegergedächtniskapelle am Höhenrain oberhalb vom Ortskern Grainau
Gleich am nächsten Morgen breche ich voller Elan zu einer leichten Höhenwanderung auf, die von meinem Aufenthaltsort in Grainau startet und an der Kirche in Garmisch-Partenkirchen endet. Die hohe Sauerstoffkonzentration in der Luft tut mir gut. Ich bin energiegeladen und fühle mich extrem fit.
Vom Novemberblues keine Spur mehr. Vom Ortskern in Untergrainau startet auf Höhe des Hotel Waxenstein der Höhenrainweg, auf dem ich, vorbei an der fotogenen Gedenkkappelle, etwa 20 Minuten auf einem gut ausgebautem Naturpfad immer eben ab wandere. Der kleine Anstieg ist schnell genommen und kann problemlos auch von ungeübten Wanderern, sprich Spaziergängern, überwunden werden.
©Nicole Hacke / Der Höhenrainweg oberhalb von Grainau
Herrliche Aussichten auf Grainau und das Waxensteinmassiv begleiten mich auf der ersten Teilstrecke, die sich den gesamten Höhenrain durchzieht. Der Tag ist sonnig, der Himmel blau und die Bergumrisse so messerscharf, dass man sie fast zum Greifen nah erlebt.
Sogar das Gipfelkreuz der Zugspitze ist mit bloßem Auge auszumachen. Nur einmal wird der Höhenweg auf der Strecke nach Garmisch unterbrochen. Ich muss vom Höhenrain absteigen, ein kurzes Stück an der Bundesstraße 2 entlang marschieren, um nach kurzer Wegstrecke auf die andere Seite der Loisach zu gelangen.
©Nicole Hacke / Anstieg zum Kramerplateauweg
Von dort geht es etwa 10 Minuten ein steiles Stück bergauf. Oben am Kramerplateauweg angekommen, drehe ich mich um und sichte schon wieder die Waxensteine. Irgendwie begleitet mich dieses malerische Motiv in unzähligen Varianten. Los lässt es mich sowieso nicht!
Weiter geht es nun, ca. 1 Stunde, immer geradeaus und eben ab auf dem Kramerplateauweg, der abwechslungsreich durch teils bewaldete, teils lichte Streckenabschnitte mit wunderschönen Ausblicken auf das gegenüberliegende Bergpanorama führt. Ich begegne an diesem Tag kaum einem Touristen. Insgesamt begegne ich wenigen Wanderern. Dennoch fühle ich mich nicht allein. Um mich herum raschelt, knistert und kratzt es.
Es sind die Eichhörnchen, die jetzt Hochsaison haben. Nüsse knabbernd, hüpfen sie von Baumstamm zu Baumstamm, von Ast zu Ast und lassen sich von nichts und niemanden bei ihrer fleißigen Sammelaktion aus der Ruhe bringen.
An meinem vorläufigen Endpunkt, die Almhütte, die oberhalb von Garmisch liegt und „Gott sei Dank“ auch im November bewirtet ist, kehre ich erst einmal ein und genehmige mir eine kleine Jause,
bevor ich noch ein paar eindrucksvolle Landschaftsmotive fotografiere und dann hinunter nach Garmisch absteige, wo ich den Tag entspannt im Café Krönner ausklingen lasse.
©Nicole Hacke / Auf dem Kramerplateauweg
Der Föhn, der heute backofenwarme Luft über die italienischen Alpen in das Zugspitzareal bläst, verursacht so manch einen Kopfschmerzen. Langsam gehe ich den Tag an und schlendere erst mal gemütlich durch die kleinen Gassen von Garmisch. Viel hat sich hier seit meiner Kindheit scheinbar nicht verändert. Doch tatsächlich haben einige neue Geschäfte eröffnet und auch das Publikum ist ein anderes als früher. Doch gerade jetzt ist wenig los.
Der Weihnachtsmarkt, der bereits mit einer übersichtlichen Auswahl an Ständen aufwartet, versprüht die gehörige Portion Heimatgefühl, denn aus den Lautsprechern der Musikboxen erklingt traditionelle bayerische Musik. Mir gefällt´s. Ganz entspannt kann ich die ruhige, sehr stille Zeit in dem sonst sehr belebten Stadtteil genießen. Anders ist es in Partenkirchen, das von Touristen deutlich weniger frequentiert wird, obwohl es eindeutig traditioneller und ursprünglicher geblieben ist.
©Nicole Hacke / Die Ludwigstraße in Partenkirchen
Partenkirchen hat sich ganz im Gegensatz zu seinem quirligen Pendant in all den vielen Jahrzehnten kaum verändert. Die Ludwigstraße, die bereits zu Zeiten der Römer existierte, besteht seit mehr als 2000 Jahren. Fasziniert betrachte ich die Wandmalereien, besser bekannt auch als Lüftlmalereien, die fast jedes Haus in der Ludwigstraße zieren. In Partenkirchen pflegen die Menschen noch ihre Traditionen. Man sieht es, man spürt es und man hört es, denn ohne ein „Grüß Gott“ spaziert man nicht so leicht an einem Partenkirchner vorbei.
Hier gehört es, wie selbstverständlich, noch zum guten Ton, einander zu begrüßen, ob fremd oder einheimisch. Das spielt keine Rolle. Liegt es wohl daran, dass Partenkirchen noch so ursprünglich geblieben ist, weil es sich im Schutz des Wank vor dem Massentourismus gut verbergen kann oder hat sich Garmisch, das schon immer auf dem Präsentierteller daherkam, dem Tourismus, der Moderne und den „Zugereisten“ zugewandt, weil seine Menschen vielleicht doch aus einem anderen Holz geschnitzt sind.
Beide Stadtteile, die einst autonom nebeneinander existierten, versprühen jeweils ihren eigenen besonderen Charme und prägen das zauberhafte Tal in den Alpen, wie keine anderen so konträren Hälften eines aus zwei Teilen zusammengewachsenen Ortes!
©Nicole Hacke / Wallfahrtskapelle St. Anton am Fuße des Wankgebiets oberhalb von Partenkirchen
Auf meiner kleinen Erkundungstour durch Partenkirchen drehe ich noch eine Runde am unteren Fuße des Wanks. Ein kleiner Abstecher in Richtung des Philosophenwegs führt mich zu St. Anton, einer kleinen, aber reizenden Wallfahrtskapelle, die sich unterhalb des Wankgebiets befindet. Nach einem kleinen Anstieg bleibe ich oberhalb der Kapelle stehen und bestaune still die Abenddämmerung, die an diesem Nachmittag ein ganz besonderes, warmes und farbintensives Licht auf das Tal, die Waxensteine und Garmisch-Partenkirchen wirft.
Die Stimmung ist fast magisch und der Welt ein wenig entrückt. Nicht nur, dass es gerade ganz still um mich herum wird, beinahe schon tonlos offenbart sich mir die Natur. Was für ein faszinierender Monat dieser November doch sein kann!
Nachdem es an meinem vierten Urlaubstag, wie aus Kübeln, heftig schütten musste, erlebe ich heute, einen Tag später, das herrlichste, aber auch frostigste Spätherbstwetter. Und sogleich kommt mir die Idee, mich vom Wankgebiet ausgehend zum Gschwandtnerbauern aufzumachen. Eine der sonnenverwöhntesten und aussichtsreichsten Wanderrouten, die man bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel unbedingt machen sollte, ganz besonders im Winter, wenn dort der Schnee haushoch liegt.
Der Weg steigt ab Partenkirchen moderat an. Ich wähle nicht den steilen Aufstieg, der mich ab St. Anton über die Tannenhütte zum Gschwandtnerbauern führt, sondern nehme die Route rechter Hand, die auf breitem, lichtdurchfluteten Wanderweg immer gemütlich ansteigt und mit malerischen Aussichtspunkten aufwartet.
©Nicole Hacke / Panoramaweg zum Gschwandtnerbauern
Wer den Gschwandtnerbauern kennt, weiß, dass man dort zur Einkehr die allerbesten selbst gebackenen Kuchen kredenzt bekommt. Doch das kulinarische Highlight ist zweifelsohne die Sahne, das i-Tüpfelchen jeder Zuckersünde, sozusagen. Wer also nur Sahne aus dem Supermarkt kennt, kommt nicht drum herum, einmal die Vollfettsahne in Bioqualität beim Gschwandtnerbauern zu genießen. Mein Pech nur, dass ich heute nicht damit gerechnet habe, dass man auch hier im November Betriebsferien hat. Ungetaner Dinge, kehre ich ins Tal zurück und freue mich zumindest über die ausgiebige Tour, die mich in 2,5 Stunden zu meinem Ziel und wieder zurückgebracht hat.
Am späten Nachmittag beschließe ich, den Talweg von Garmisch über Rießersee, Alpspitzbahn, Hammersbach bis Grainau zu Fuß zurückzulegen. Um 16:00 Uhr ist es noch hell. Erst gegen 17:00 Uhr wird es relativ schnell dunkel um diese Jahreszeit. Das habe ich mittlerweile gelernt. Somit werde ich in ca. 1 Stunde kurz vor Grainau in die Dunkelheit spazieren, was ich aber auch bezwecke.
Es ist nämlich nichts erhebender als in der Dämmerung die absolute Ruhe und das unendliche Gefühl von Freiheit zu erfahren. Langsam verklären sich die scharfen Umrisse des Gebirges und das damit einhergehende Erlebnis einer Nachtwanderung wird zu einem unvergleichbaren Ereignis. Alle Sinne werden nun ganz anders beansprucht, die Wahrnehmung und auch die Perspektiven verschieben sich in der Dunkelheit. Als kleiner Punkt wandert man nun in dem ewig großen Universum eines bei Tageslicht relativ überschaubaren Tals. Wenn dann noch die Sterne am Himmel stehen, erscheint einem die Natur, wie ein magisches Wunder.
Heute reise ich ab und werde gerade noch zum 1. Advent mit Schnee überrascht. Als ich aufwache, fällt das Licht fast gleißend hell zum Fenster hinein. Sofort stehe ich auf und erblicke die, wie mit Puderzucker überzogene, weiße Landschaft.
Friedlich raucht es aus den Schornsteinen der umliegenden Häuser. Grainau ist erwacht. Ich packe meine Sachen, bin bereit aufzubrechen und fahre mit der Zugspitzbahn durch eine verwunschene Winterlandschaft Richtung Garmisch. Wehmütig schaue ich den Waxensteinen aus dem fahrenden Zug hinterher.
Was mache ich nur, wenn ich wieder in Hamburg bin. Von der Elphi werde ich wohl die Berge nicht sehen können. Ich muss unbedingt wiederkommen, denn nur hier in diesem weiten Tal, vor dieser einmaligen Bergkulisse, geht mein Herz wahrhaftig auf.
Im November ist das gar nicht mal so leicht, denn vielerorts in und um Garmisch-Partenkirchen sind die gastronomischen Highlights geschlossen. Wohlverdiente Betriebsferien sozusagen. Dennoch gibt es einige gute Speisewirtschaften, die auch im November geöffnet haben und die ich Euch hiermit guten Gewissens vorstellen kann:
Das Maronis ist eines meiner favorisierten Restaurants im Ortskern von Garmisch. Hier erwartet einen eine sehr gelungene Melange aus steirischer Küche, gepaart mit einem leichten asiatischen Einschlag. So liest sich auch die Speisekarte mal steirisch, mal asiatisch. Ein Spagat zwischen zwei Genusswelten, der wirklich geglückt ist. Sehr zu empfehlen ist der Backhendlsalat, der mit einem selbst gemachten Kürbiskernöl aus der Steiermark glänzt.
Ebenso aufregend kommt auch die Dessertkarte daher. Es gibt klassischen Kaiserschmarrn oder aber Vanilleeis mit Kürbiskernöl, das man in dieser gastronomischen Einrichtung unbedingt einmal probiert haben muss. Apropos, eine gut sortierte Auswahl an exzellenten Weinen und Spirituosen rundet das Profil der Speisewirtschaft gelungen ab.
Nach einer ausgiebigen Wanderung auf dem Höhenweg unterhalb des Kramers kann man gut und solide in der Almhütte speisen. Bei herrlichem Wetter ist die großzügige Terrasse der ideale Ort, um sich zusätzlich und ganz kostenfrei ein Sonnenbad an der Hauswand zu genehmigen. Schöne Aussicht inklusive!
Die urige Einrichtung versprüht gemütlichen Hüttencharme. Die Speisekarte liest sich typisch bayerisch und lässt keine Wünsche nach traditionellen Spezialitäten offen.
Ein ganz besonderes Schmankerl sind hier die riesengroßen Windbeutel, die es fast in allen nur erdenklichen Geschmacksvariationen zu genießen gibt.
Wo es so richtig guten Kaffee gibt? In der Wildkaffeerösterei. Dort duftet es bereits nach dunklen, kakaohaltigen Aromen von gemahlenen Kaffeebohnen.
Jeder Handgriff sitzt. Geübt gießt der Mitarbeiter hinter der Verkaufstheke den Espresso in die vorgewärmte Tasse und formt mit der aufgeschäumten Milch, wie es sich für einen echten Barista gehört, meinen Cappuccino zu einem kleinen Kunstwerk aus Blättern und einer Blüte, die aussieht wie ein Herz.
Seit der Eröffnung im Jahr 2014 gibt es im alpenländischen Garmisch-Partenkirchen endlich eine Institution, die sowohl beste Bohnen als auch edelste Kaffeekreationen anbietet.
Ein junges und geschultes Baristateam kredenzt dort die wirklich feinsten Kaffeebohnen in schokoladenfeiner flüssiger Textur. Ein Hochgenuss für Kaffeekenner.
Wer mag, kann sich auch bei einer Baristaschulung die richtigen Kniffe und Techniken zeigen lassen und bei einer Röstereiführung dabei sein.
Das Café Krönner ist wohl die älteste Einrichtung am Platz, die Garmisch-Partenkirchen zu bieten hat. Zurecht kann man von einer Institution sprechen, denn die Familie Krönner blickt auf eine lange Tradition und Geschichte zurück. Wenn man überhaupt irgendwo ausgezeichneten Kuchen, Patisserie und Gebäck verköstigen kann, dann nur hier.
Seit ich zum ersten Mal als Kind herkam, und das ist mittlerweile mehr als dreißig Jahre her, hat sich an dem Mobiliar des Kaffeehauses nicht wesentlich viel verändert. Das macht aber auch den Charme und die Authentizität des Krönners aus. Ein bisschen verstaubt, vielleicht in die Jahre gekommen, aber halt ein echtes, zauberhaftes Caféhaus mit Nostalgiefaktor, das seinesgleichen erst suchen muss.
Unbedingt probieren sollte man sich durch das ganze Kuchensortiment. Doch wenn es irgendwie geht, dann überrascht man seinen Gaumen auf jeden Fall mit der Richard-Strauss-Torte oder zumindest mit ihrer kleineren Variante. Umhüllt von fein herber Zartbitterschokolade, zergeht der Schokoladenbiskuit mit cremiger Rum-Trüffel Füllung auf der Zunge. Ein Hochgenuss. Und was dem Wiener seine Sachertorte ist, das kann dem Garmisch-Partenkirchner nur seine Richard-Strauss-Torte sein.