18. APRIL 2020
UNAUFGEFORDERTE WERBUNG
©Nicole Hacke / Quellteiche im Pietzmoor
Moorlandschaften üben seit jeher eine unheimliche, fast mystische Faszination auf mich aus, was sicherlich auch einer Tatsache zu Schulden ist, nämlich der, dass ich als Kind zu oft das Gedicht“ der Knabe im Moor“ von der Dichterin Anette von Droste-Hülshoff gelesen habe. Dort in der von Tümpeln, Weihern und furchteinflößenden Landschaftsgebilden durchzogenen Vegetation, in der die Faulgase geräuschvoll an die Oberfläche dringen, ranken sich sagenumwobene Gruselmärchen, die nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen das Fürchten auf besondere Weise lehren.
Aber das Moor kann auch eine liebliche und verzaubernde Aura umgeben. Jede Jahreszeit übt dabei einen ganz besonderen Reiz auf die einzigartige Flora und Fauna der so typischen Moore der
Norddeutschen Tiefebenen aus. Während im Frühjahr blaue Frösche zur Paarungszeit ihren amourösen Aktivitäten nachgehen, wird das Moor von einer weißen Pracht aus Wattebüscheln durchzogen, die als
Wollheide bekannt, zu der Familie der Sauergrasgewächse zählt.
Im Sommer schlängeln sich dann die Kreuzottern durch die morastigen Feuchtgebiete und auch die kecken Eidechsen genehmigen sich ein ausgiebiges Sonnenbad auf den moortypischen Bohlenstegen, auf
denen der Wanderer durch 5 km langes Areal navigiert wird. Nebelschleier verleihen dem Biotop ganz besonders im Herbst einen mystischen Zauber. Und auch der Winter mit seiner kargen, reduzierten
Farbwelt zeigt sich, wenn in weiße Wunderpracht gehüllt, wohl von der vielleicht verwunschensten Seite.
Als ich heute beschließe, einen Ausflug in das nahe gelegene Pietzmoor bei Schneverdingen in der Lüneburger Heide zu machen, ahne ich noch nicht, welch einzigartiges Naturmonument ich dort zu
Gesicht bekommen werden.
©Nicole Hacke / Quellteiche im Pietzmoor
©Nicole Hacke
©Nicole Hacke / im Pietzmoor
Laut aktueller Studien ist die in ihrer Art charakteristische, unverwechselbare Moorlandschaft bereits 8000 Jahre alt und hat eine maximale Torfmächtigkeit von ganzen 7,5 Metern. Beachtlich, wenn man bedenkt, dass die torfbildenden Spagnen gerade Mal einen Millimeter pro Jahr wachsen.
Voller Vorfreude, mit der Sonne im Herzen und angenehmen thermostatischen 20 Grad, mache ich mich von Hamburg Richtung Schneverdingen auf den Weg. Knapp 52 Minuten dauert die Fahrt über die A7
bis zum Parkplatz am Ortsausgang des bekannten Heideortes, der unmittelbar an die Osterheide grenzt. Rechter Hand zweigt eine anfänglich asphaltiertere Fahrstraße, die alsbald in einem sandiger
werdenden Heidepfad mündet, direkt in die faszinierende Moorlandschaft ab.
Nach nur weniger als zehn Minuten Fußmarsch führt der Pfad, der sich zuerst großräumig um das Areal des Pietzmoors erstreckt, geradewegs auf einem breiteren Sandweg durch die Moorlandschaft, die
beidseitig des Wanderweges von kleinen Tümpeln sowie großen Weihern gesäumt wird. Ein magisches Schauspiel aus eisblauen Wasserspiegelungen und sonnengoldenen Schilfrohr kontrastieren die mit
giftgrünen Torfmoosen durchwucherte Hochmoorlandschaft.
Mir eröffnet sich heute ein Bilderbuchtag, wie er einfach nicht schöner sein könnte, so atemberaubend herrlich präsentiert sich ein magischer Moment nach dem anderen. Bevor ich mich versehe,
endet ganz abrupt der feste Sandweg vor meinen Füßen, und weiter geht es fortan nur noch auf den typischen Bohlenwegen, die in das Herz der sagenumwobenen Moorlandschaft hineinführen.
©Nicole Hacke / typische Bohlenstege im Pietzmoor
©Nicole Hacke / malerische Weiher und Tümpel im Pietzmoor
Tiefer und tiefer geht es über die schmalen Stege durch das Dickicht des dicht und üppig bewaldeten Biotops. Immer wieder werden beeindruckende Ausblicke auf malerische Quellgebiete, von Torfmoos überzogene Tümpel und mit Wasser vollgelaufene Torfstiche frei.
Letztere sind die erkennbaren Überbleibsel einer torfstechenden Kultur, die noch bis in die 1960er Jahre praktiziert wurde und fast 25 Prozent der Moorflächen trocken gelegt hat. Mittlerweile
erholt sich das längst wiederverwässerte Pietzmoor und erfreut sich allmählich wieder seines ursprünglichen, landschaftstypischen Charakters.
Ausgesprochen ruhig, windstill und geräuschlos führt die Wanderung ausschließlich auf den gut gepflegten und sicheren Holzplanken immer weiter in den urwaldähnlichen Naturpark. Dabei habe ich das
Gefühl, immer mehr von ausufernden Wasserflächen umgeben zu werden. Plötzlich lichtet sich das durch Kiefer und Nadelbäume verdichtete Waldstück und ich erblicke großflächige Seenlandschaften,
soweit das Auge reicht. Bei strahlend blauen Himmel und silberblauen Wasserwelten durchkämme ich hochgewachsene Schilfhaine. Die Weite genießend, atme ich einmal mehr tief ein und aus und spüre
eine Freiheit, die mich vor Freude leise aufjauchzen lässt.
©Nicole Hacke / Quellteich im Pietzmoor
©Nicole Hacke / im Pietzmoor
©Nicole Hacke / im Pietzmoor
Und dann ist meine kleine Expedition durch das Hochmoor auch schon vorbei. Gerade mal eine knappe Stunde durfte ich in faszinierende Naturerlebnisse eintauchen und mich an einer facettenreichen Pflanzenvielfalt ergötzen, wie man sie wohl selten anderswo außerhalb der Lüneburger Heide bestaunen kann.
Wenig später durchkreuzt eine Herde Heidschnucken meinen Weg. An einem sonnigen Plätzchen auf einer geschützten Bank sitzend, genieße ich eine kleine Rast und beobachte aufmerksam die friedlich
grasenden Vierbeiner, die langsam an mir vorüberziehen, während sie hüpfend schnell noch an dem einen oder anderen schmackhaften Heidestrauch zupfen und knabbern.
Unter den Feinschmeckern bekannt, verkosten die schwarz-grauen Landschaftspfleger nur die feinen Kräuter und Gräser der opulenten Vegetation, während ihre afrikanischen Kumpanen, die Ziegen, sich regelrecht über das am Boden wuchernde Gehölz und Astwerk der mittelgroßen Sträucher hermachen.
Optimale Arbeitsteilung spielt bei der Zusammensetzung der Herde schon eine signifikante Rolle, denn was die Heidschnucke versäumt zu pflegen, erledigt die Ziege mit ihrem weniger distinguierten
Gaumen.
©Nicole Hacke / Heidschnuckenherde mit Schäfer in der Nähe des Pietzmoors
Auch die Herdenmanager, zwei deutsche Schäferhundmischlinge, haben heute ordentlich zu tun. Einer schweißtreibenden Plackerei kommt das Eintreiben der recht eigenwilligen Blöker gleich. Hin und her rennen die laut bellenden Muskeltiere, als gäbe es kein Morgen, immer vom Kopf bis zum Fuß der Herde, wendig und blitzschnell der gleichen eintönigen Routine hinterherjagend.
Mit Argusaugen beobachten die wachsamen Hunde dabei das aufgeregte Treiben der äußerst dynamischen Herde, die ganz besonders von den pechschwarzen Jungtieren mit staksiger Lebendigkeit und Impulsivität aufgemischt wird.
Langsam und dennoch stetig entfernt sich der Schäfer mit seiner Herde, bis nur noch schemenhafte Umrisse der schwarz-grauen Wollknäuel in der Ferne zu erkennen sind. Dann plötzlich schießen vier
kleine Lämmer aus dem Pulk der sicheren Gemeinschaft und springen wild und ungestüm zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Der Schäfer tobt. Lautstark fluchend dringt seine überaus
sonore Stimme deutlich bis an mein Ohr.
Die ganze Herde muss nun gezwungenermaßen kehrtmachen und folgt widerwillig den Ausreißern, die sich nun kauernd hinter einem kargen Heidestrauch im Unterholz verschanzen. Vier kleine,
schnuckelige Lämmer, die recht keck und lausbübisch beizeiten ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.
©Nicole Hacke / Heidschnuckenherde und afrikanische Ziegen in der Nähe des Pietzmoors
Und es dauert gar nicht lange, da schießen auch schon die beiden Aufpasser der Herde um die Ecke. Mit einem großen Satz stürzen sie sich auf die Lämmer, kneifen den Ungehorsamen in den Allerwertesten und treiben mit ein bisschen roher Gewalt die Herde wieder zusammen.
Nun ist die Truppe endlich wieder vollzählig. Keiner fehlt und der Schäfer kann beruhigt seines Weges weiterziehen. Heute weiß er ganz sicher, was er geleistet hat. Aufregung pur, ein bisschen Adrenalin und viel Zeit an der frischen Luft werden ihm ganz sicher zur nötigen Bettschwere verhelfen.
Schäferplausch:
Der schönste Beruf der Welt, seit sieben Jahren auf der Heide, acht bis neun Stunden pro Tag mit den Heidschnucken unterwegs, über Stock und Stein, bei Wind und Wetter. Abenteuer, Erlebnis, Freiheit und Natur pur - und dabei ist der Beruf des Schäfers auch noch ausbildungspflichtig. Drei Jahre dauert das Studium zum Tierwirt. Und dann darf man eine Herde über die schier grenzenlosen Flächen der Heidelandschaft führen.
Ich beschließe, noch einen kleinen Abstecher in die Osterheide zu machen, die unmittelbar an den Naturpark der Lüneburger Heide angrenzend, unweit vom Pietzmoor gelegen ist.
Eine moderate Runde durch das weitläufige Areal, das ursprünglich als militärischer Truppenübungsplatz herhalten musste, wurde erst nach aufwendigen Rekultivierungsmaßnahmen wieder zu einem
schützenswerten Naherholungsgebiet, das durch die eingestreuten Waldinseln, Moore und Magerrasen zu einem unverkennbaren Wanderparadies geworden ist.
©Nicole Hacke / in der Osterheide Richtung Heidegarten
Auf einem gut ausgebauten Wege-Netz für Wanderer und Radfahrer, folge ich dem Wegweiser in Richtung des Silvestersees, der nach einem britischen Offizier benannt ist, und entscheide mich kurzerhand um und für die Tour, die mich zum Heidegarten Höpen bringt, der 130 verschiedene Heidesorten beherbergt, die ausnahmslos das ganze Jahr in voller Blüte stehen.
Da muss ich hin, das muss ich sehen, frohlocke ich und mache mich sogleich hoch motiviert auf den Weg durch dicht bewachsene Heideflächen.
©Nicole Hacke / in der Osterheide
©Nicole Hacke / in der Osterheide bei Schneverdingen
©Nicole Hacke / in der Osterheide
Allerdings stelle ich fest, dass im Vergleich zur Lüneburger Heide die Vegetation in der Osterheide deutlich karger und reduzierter ist, zumindest erspähe ich nicht einen einzigen Wachholderstrauch. Stattdessen prägen Birken und hochgewachsene Kiefern das Landschaftsbild und verleihen ihm damit einen ebenso unverwechselbaren, obgleich auch etwas spröden Charakter.
Insgesamt lasse ich mich jetzt deutlich mehr von meinen Eindrücken treiben. Wanderkilometer will ich heute sicherlich nicht mehr zurücklegen, zu spät ist es mittlerweile.
Ich schaue zu, wie langsam die Sonne hinter dem Horizont versinkt und die verklärte Landschaft in ein warmes orangesattes Licht taucht. Still ist es geworden in der Osterheide. Ganz alleine
begebe ich mich auf den Rückweg zum Parkplatz.
©Nicole Hacke / Ziegenherde in der Osterheide
©Nicole Hacke / inmitten einer Ziegenherde in der Osterheide
©Nicole Hacke / Ziegen als Landschaftspfleger beim Abendessen
Meine Mission habe ich heute zum Großteil erfüllt, doch ich komme wieder, das habe ich mir bereits geschworen, denn den Heidegarten möchte ich unbedingt auch noch sehen.
Etwas verwundert versuche ich zu verstehen, warum ich der Heide in all den vielen Jahren nie einen einzigen Besuch abgestattet habe. Doch ich schaue nicht zurück, nur nach vorne. Meine Zeit ist
anscheinend jetzt reif und das ist auch gut so, denn für unvergessliche Erlebnisse in der Heide ist es tatsächlich nie zu spät.
Anreise mit dem Auto:
Aus Richtung Frankfurt über die A2 oder die A7 - Dauer ca. 4 Stunden
Anreise mit der Bahn:
Die Lüneburger Heide ist grundsätzlich über das ICE-Streckennetz leicht zu erschließen, da sowohl die Knotenpunkte in Hamburg und Hannover, als auch die Städte Celle und Uelzen Anbindung an die Schnellstrecke haben.
Darüber hinaus frequentiert der Metronom die Bahnhöfe in der Lüneburger Heide ab Hamburg, Hannover und Göttingen.
Anreise mit dem Flugzeug nach Hannover, Hamburg oder Bremen. Von dort aus gibt es Transferverbindungen, die in ca. 1 Stunde den Zielort Lüneburger Heide erreichen.
Detailliertere Informationen könnt Ihr über die Website des Tourismusverbands der Lüneburger Heide einsehen:
©Nicole Hacke
Naturerlebnisse im Pietzmoor:
Ausgangspunkt: Parkplatz am Ortsende von Schneverdingen (Heber Weg 111)
Länge: 5 km
Lage: Moorwanderung
Dauer: ca. 1 Stunde
Schwierigkeitsgrad: leicht, Achtung: immer auf den Bohlenstegen bleiben und nicht vom Weg abkommen.
Ausrüstung: bequeme Outdoor-Bekleidung / Funktionsbekleidung, Wanderschuhe, alternativ auch festes, trittsicheres Schuhwerk.
Wandern in der Osterheide:
Über Heberer Strasse zum Parkplatz Osterheide gehen unzählige Wege in folgende Richtungen ab:
Route 1: Silverstersee - ca 2,4 km
Route 2: Niederhaverbeck über Wilseder Berg - 10 km
Route 3: Heidegarten-Höpen - ca 4 km
Weitere Streckenbeschreibungen und Routenabschnitte können über die Seite des Touristenbüros in der Lüneburger Heide abgefragt werden: