UNAUFGEFORDERTE WERBUNG
09. AUGUST 2019
Als ich frühmorgens um 4:21 Uhr mit dem ICE von Hamburg nach Regensburg aufbreche, ist es kalt, ungemütlich und der Tag erscheint mir zu dieser unseligen Stunde noch nicht wirklich vielversprechend. Auf der Fahrt versuche ich zu schlafen, doch vergebens. Ich bin aufgekratzt, aufgeregt und komme irgendwie nicht zur Ruhe. Viel möchte ich in Regensburg erleben, an einem Tag der nur 24 Stunden hat und von denen schon mal einige Stunden für die Zugfahrt drauf gehen und weitere 2, wenn nicht sogar 3 Stunden, für das bevorstehende Galakonzert der Thurn & Taxis Festspiele. Aber egal. Irgendwie werde ich die Zeit und Muße finden, die mittelalterliche Stadt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, zu erkunden, zu genießen und vor allen Dingen ausgiebigst zu erleben. Ich habe knapp 1,5 Tage Zeit und wahrscheinlich werde ich ganz ohne Plan mal wieder meiner Nase folgen und auf Entdeckungstour gehen, ohne zu wissen, was mich in Regensburg erwartet. Eigentlich die schönste Art und Weise, mich auf Neues einzulassen und mich dabei überraschen zu lassen: von den Menschen, dem Flair, der Stadt und den Sehenswürdigkeiten.
Bereits als ich auf dem Bahnhof in Regensburg ankomme, treibt mich sofort die Neugier und packt mich mein unstillbarer Tatendrang. Schnell will ich zum Hotel und von dort direkt aufbrechen, um mein kleines Mikro-Abenteuer zu erleben. Mikro-Abenteuer ist auch so eine neue Wortschöpfung, die impliziert, dass man sich, fernab von jeglicher Routine, Zeitfenster für Neues, Spannendes und Aufregendes schaffen soll, um seinem Alltag, dem oftmals trostlosen, für eine Weile zu entfliehen. Na ja und Regensburg ist halt heute für mich so ein kleines Mikro-Abenteuer. Unweit der Innenstadt, etwa 10 Gehminuten, liegt mein Hotel (über das ich bereits in einem anderen Blogbeitrag berichtet habe), von dem aus meine abenteuerliche Reise in die mittelalterliche Stadt Regensburg startet.
Ich mache mich voller Elan (meine Müdigkeit ist wie weggeblasen) auf den Weg und erreiche als erstes, ohne mich großartig an irgendeinem Stadtplan orientieren zu müssen, den Dom von Regensburg. Prächtig, erhaben und unglaublich beeindruckend ragt der gotische Prachtbau vor mir auf. Im Inneren des Kirchenschiffs fühle ich mich beinahe von der Größe und den vielen Details, die das Auge so auf den ersten Blick überhaupt nicht erfassen kann, erschlagen. Erbaut um 1275 und zur Vollendung gebracht in der Zeit zwischen 1859 und 1869 zählt der Regensburger Dom neben dem Kölner Dom zu den bedeutendsten gotischen Kathedralen Deutschlands. Und das sieht man und spürt man auch.
Leider bleibt mir wenig Zeit, um einer Führung durch die heiligen Hallen des Dom Inneren, beizuwohnen. Doch ich bin allein schon beeindruckt von dem silbernen Hochaltar, den Baldachinaltären und der wunderschönen Glasmalerei, von der ich mir habe sagen lassen, dass diese zu einer der umfangreichsten noch erhaltenen mittelalterlichen Malereien des deutschsprachigen Raumes gehört. Und fast alle Fenster sind noch Originale.
Weiter lasse ich mich nun durch die schmalen Gassen von Regensburg treiben. Und es treibt mich dabei nichts. Keine Hektik, kein Geschiebe und kein Gedränge, obwohl doch die Thurn & Taxis Festspiele gerade Massen an Menschen in die überschaubare Stadt bringen. Nichts von alledem merkt man, wenn man gemütlichen Schrittes durch die romantischen, schattigen und überwiegend engen Gassen wandert.
Ein wenig kommt es mir hier wie in Italien vor. Die Menschen plaudern ausgelassen. Überall in den Gassen, wo man auch gerade hinblickt, befinden sich kleine, reizende Cafés oder nette ursprüngliche, teilweise originelle Lokalitäten, die selbstverständlich gut besucht sind. In Regensburg scheinen die Menschen das Leben noch in vollen Zügen zu genießen. Und warum auch nicht, an so einem warmen, sonnigen Tag wie heute.
Viel gibt es für mich zu sehen und zu bestaunen. Besonders auffallend sind die vielen kleinen Boutiquen, die ausgewählte, sehr individuelle Designermode präsentieren. Kaum begegnen einem große Modeketten oder Kaufhäuser. Dafür reicht der Platz in Regensburg nicht aus. Und das ist auch gut so. Charakteristisch empfinde ich ebenfalls die besonders netten, teilweise wuseligen und verstaubt wirkenden Antiquitätengeschäfte, die man zu Haufe im Stadtkern vorfindet. Sammelsurien von altem Nippes, teilweise wahllos in den Schaufensterauslagen zusammengewürfelt, projizieren ein buntes Bild in die malerischen kleinen Gassen.
Und dabei sollte "Mann" oder "Frau" auf keinen Fall das traditionelle Hutgeschäft am Dom verpassen. Selbstgefertigte Herren- und Damenhüte in allen erdenklichen Formen und für die jeweils entsprechenden Anlässe werden hier gefertigt. Für jeden ist etwas dabei. Und wer gerne Kopfbedeckungen trägt, dem sei tatsächlich angeraten, sich in diesem Geschäft, das sich noch auf das Huthandwerk versteht, ausführlichst beraten zu lassen.
Sicherlich kann einem viel in Regensburg passieren, nur Verlaufen kann man sich im Stadtkern nicht wirklich. Ein verlässlicher Indikator, dass man eventuell vom Wege abgekommen sein könnte, beziehungsweise den mittelalterlichen Kern verlassen hat, sind die schlagartig breiter werdenden Gassen, die aus dem mittelalterlichen Labyrinth hinausführen. Doch ich schlage mich tapfer, folge immer dem Strom und komme von einer Gasse in die nächste und weiter auf geschichtsträchtige große Plätze.
Vorbei am Bismarkplatz, auf dem das Stadttheater steht, bis hin zum Haidplatz, der wohl der traditionellste und fotogenste Platz in Regensburg (auch wegen seiner historischen Gebäude) ist. Auch das Alte Rathaus, die Porta praetoria (altes Römertor), die Stiftskirche zur Alten Kapelle, der Brückturm und das Schloss Emmeran sind allesamt sehr beeindruckend. Zurecht gehört Regensburg zum UNESCO- Weltkulturerbe, denn man atmet hier auf Schritt und Tritt uralte Geschichte ein.
Nachdem ich zwischenzeitlich meinen Hunger bei einem ausgezeichneten französischen Essen gestillt habe (Top Empfehlung: Restaurant Orpheé), geht es weiter, nur wohin? Etwas orientierungslos mache ich mich auf in Richtung Donau zur Steinernen Brücke.
Rechter Hand vom Dom marschiere ich immer weiter geradeaus, einer Pi mal Daumen Schätzung folgend, die mich allerdings nur weiter vom rechten Weg abbringt und mich geradezu in das Wohngebiet von Regensburg steuern lässt. Aber schön, warum nicht? Es fühlt sich gerade an, als wäre ich im wienerischen Nussdorf gelandet. Große Eingangstore, die vermuten lassen, dass sich dahinter Heurigenlokale verbergen. Aber nein!. Es sind nur Wohnhäuser im wohl für Regensburg typischen Stil. Ich bin beeindruckt. Hier ist es malerisch, ruhig und die Touristen verirren sich anscheinend hierher nicht.
Etwas verloren schaue ich drein, was nicht unbemerkt bleibt. Ich werde von einer Regensburgerin angesprochen und gefragt, ob ich wohl Hilfe benötige! Ganz sicher tue ich das, denn offensichtlich habe ich mich ja verirrt. Beim Plaudern lerne ich etwas mehr über die Wohnverhältnisse in Regensburg und bemerke, wie freundlich, aufgeschlossen und positiv die Menschen hier sind. Nicht zum ersten Mal wünscht man mir heute einen wunderschönen Tag. Beschwingt und heiter ziehe ich meines Weges, denn jetzt weiß ich, dank der ausführlichen Wegbeschreibung, wie ich zur Steinernen Brücke gelange.
Doch zuerst muss ich das Ostentor passieren, um kurz darauf linker Hand in den beschatteten, sehenswerten Villapark abzubiegen. Von dort gelange ich in nur weniger als 5 Gehminuten an das Donau-Ufer. Dieser Spaziergang, der mich auf Umwegen so unverhofft auf eine zwar falsche, aber erlebnisreiche Fährte gebracht hat, bringt mich letztendlich, vorbei am alten Raddampfer Ruthof (zum Donau-Schifffahrtsmuseum umfunktioniert) an die Steinerne Brücke. Diese überquere ich sodann und erlebe auf der anderen Uferseite den wohl beeindruckendsten Ausblick auf die Stadt Regensburg. Vor meinen Augen offenbart sich eine zauberhafte Stadtsilhouette, die ganz klar von den Türmen des Regensburger Domes dominiert wird.
Eine Weile sauge ich diesen Anblick der sich vor mir abzeichnenden Stadt noch in mich auf, dann aber drehe ich mich um und steuere nun auf die Stadtamhof zu: eine tatsächlich ehemalige autonome Stadt auf dem Nordufer der Donau gelegen, die Anfang des 19. Jahrhunderts nach Regensburg eingemeindet wurde und mittlerweile den heutigen Stadtbezirk 02 von Regensburg bildet.
Dort schaue ich mich erst mal um, stelle fest, dass auch hier viel weniger Touristen zugegen sind als auf der anderen Uferseite und mache dann, auch weil ich mich heute mal gerne wieder in den Trubel stürzen will, zurück auf die belebtere Stadtseite.
Ein bisschen erschöpft von den vielen Strapazen, genieße ich nun das Flair, und beobachte die vor mir auf und ab promenierenden Touristen und Einheimischen, bei einem erfrischenden Getränk im Café Charlotte.
Meine Eindrücke lasse ich, bevor ich mich langsam zu den Festspielen auf Schloss Emmeran aufmache, noch mal Revue passieren und stelle für mich fest, dass dieser Ausflug in eine der größten und historischen Städte Bayerns eine absolute Bereicherung war, sowohl in historischer als auch in kultureller und kulinarischer Hinsicht. Die Stadt mit dem italienischen Hauch von Dolce Vita hat es mir tatsächlich angetan.
Ein Geheimtipp befindet sich direkt in unmittelbarer Nähe der Steinernen Brücke. Das Haus der bayerischen Geschichte hat seine Pforten erst in diesem Jahr in modernem Glanz eröffnet. Für sein Erscheinungsbild erhielt es sogar den German Brand Award in Gold und den Corporate Design Preis. Was man alles im Haus der bayerischen Geschichte sehen kann? Viel, und zwar sehr viel. Über den bayerischen Löwen, bis hin zur Entstehung des Jim Knopf und seiner Augsburger Puppenkiste, werden auch geschichtliche, traditionelle und kulturelle Aspekte des Freistaates Bayern thematisiert. Sonderausstellungen finden ebenfalls in den Räumlichkeiten des Museums seinen Platz.
Adresse:
Haus der bayerischen Geschichte
Donaumarkt 1,
93047 Regensburg
Öffnungszeiten: Täglich außer Montags: 09:00 - 18:00 Uhr
Website: www.museum.bayern